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Heimcomputer, Bürocomputer, Arbeitscomputer
#12
Arbeiten mit dem Amiga im Vergleich zum PC.

1995 wurde mit der Ankündigung Microsofts für das neue Windows im grossen Masstab die Werbetrommel gerührt. Die Stichworte "grafische Benutzeroberfläche" (GUI), Multitasking - aber auch "Plug-and-Play" und Speicherverwaltung standen im Raum. Und natürlich der digitale Totschläger der Werbebranche aus dieser Ära - "Multimedia".

Für uns Amiga-Anwender war davon nichts wirklich neu. Die GUI mit dem Mauszeiger - generell die Benutzung einer Maus und Keyboard - hatte Microsoft schamlos vom visionären Xerox Alto aus dem Jahr 1973 (!) geklaut. So wie das Apple beim Lisa bzw. Macintosh und Commodore beim Amiga OS gemacht hatten. Allerdings schon über 10 Jahre früher - ab 1983!

Multitasking konnte der Amiga noch vor dem Mac und "Plug-And-Play" war dank der Zorro-Architektur ebenfalls kalter Kaffee. "Reinstecken und wohlfühlen" war da immer schon das Motto mit den Erweiterungskarten gewesen. Auch die Konfiguration gestaltete sich erheblich leichter. Einzig bei der Speicherverwaltung mussten die Amiga noch auf grössere Masstäbe angepasst werden und grafische Erweiterungsoptionen kamen auch erst "später" - lies zeitgleich mit dem Run auf VGA bei den PCs.

"Multimedia" war seit dem Anfang der 90er Jahre ein Schlagwort geworden, im Wesentlichen aber nur ein hohler Begriff für die Vernetzung von Grafik, Sound und Anwendung über digitale Medien. Auch das nichts Neues am Amiga.

Im Wesentlichen hatte man mit einem Amiga 2000/3000 einen modernen Rechner, der zumindest hardwareseitig, beim Handling und vom Betriebssystem her in jeder Hinsicht gleichwertig zu den IBM-basierten Systemen stand. Was war der Kernunterschied zu den PCs?

Die Aufrüstungsfähigkeit auf schnellere CPUs und bessere Grafikkarten wird einem oft gesagt. Und das Angebot. Sieht man sich die Vielzahl an Turbokarten usw. genauer an, dann war da bis zur frühen 486er-Ära allerdings kein wesentlicher Unterschied. Einzig die Verfügbarkeit im regionalen Einzel- und Fachhandel war schlechter und man musste sich damit abfinden, wesentliche Hardware nur über den Versandhandel (günstig) beziehen zu können. Rotstift war da eine der ganz bekannten Firmen, die erst bei den Turbokarten den Preisbrecher gaben und dann auch noch bei den Modems (Stichwort ZyXEL) als DFÜ so richtig losging.

PC-seitig steckte die Entwicklung noch lange zwischen dem 286er und 386er "fest". VGA krabbelte mehr oder weniger erst ab dem Ende der 80er auf die Desktops, aber es würde noch mindestens 2-3 Jahre dauern, bis auch mit schnelleren Grafikkarten und mehr Speicher nachgezogen wurde. Einzig bei grafikaufwendigen Entwicklungsprogrammen und natürlich Spielen standen höhere Ansprüche im Raum. Der OCS/ECS-Amiga lag da mit seiner mehr EGA-vergleichbaren Grafikfähigkeit bis zur VGA-Ära gut im Rennen. Die AGA-Systeme würden die Situation dann noch einmal kurzzeitig verbessern, aber im Endeffekt schon keinen Unterschied mehr machen. Insgesamt sind wohl die meisten Amigas an einem Fernseher und nicht Monitor gelaufen.

Der Knackpunkt bei den Amigas war das Softwareangebot. Da Commodore selbst den Marktanschluss an die Productivity verhinderte/verbummelte war das System insgesamt isoliert - oder sehr stark von spürbar kleineren Firmen (als Microsoft) abhängig. Je nach Marktlage bedeutete das dann bessere oder schlechtere Unterstützung. Die vielgeschmähte Firma Data Becker war eines der besseren Beispiele, die Kapitallage der mittelständischen Firma änderte aber nichts daran, dass sie nicht so flexibel wie ein Grossunternehmen agieren konnte.

Industriesoftware wiederum hing stark von den Anforderungen der Kunden ab, da konnte sich der Amiga einige Nischen (z.B. bei Video-Nachbearbeitung) erobern. Aber dieser Markt wurde in den 90er Jahren dann schnell sehr unflexibel und beschränkte sich auf PC und Mac. Der Macrosystem-Amiga dürfte wohl der letzte (quasi-)Commodore gewesen sein, der für diese Richtung noch auf den Markt kam.

Bundling war auch eines der Probleme, die beim Amiga den gewerblichen/professionellen Einsatz verzögerten. Während die meisten PCs mit einem entsprechenden Softwarepaket (günstiger) angeboten wurden, gab's das beim Amiga fast nur mit Spielen. Auch da wollte Commodore nicht begreifen, dass der Rechner noch wesentlich mehr hergab und prinzipiell auch mit dem Macintosh konkurrieren konnte (wortwörtlich sogar mit Shapeshifter). Bzw. hätte können...

Denn letztendlich fuhr der Amiga in einer Nische, die schon "Multimedia" ermöglichte, bevor das überhaupt ein Begriff in der Öffentlichkeit wurde. Als seriöser Anwender musste man sich stärker auf die Beschaffung von Software konzentrieren, oft überregional einkaufen. Und natürlich mehr mit Zeitschriften oder Computerclubs und Anwendergruppen das Wissen austauschen. Und schliesslich auch online gehen - erst BTX, dann BBS und FIDO-Net, später Usenet und Internet. Alles zeitaufwendig, kostspielig und für die Mehrheit der Amiga-Eigentümer offensichtlich "too much".
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RE: Heimcomputer, Bürocomputer, Arbeitscomputer - von ScoreAddict - 21.06.2022, 05:52

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