07.07.2013, 11:00
#
Prolog. Die Vergangenheit der Zukunft.
Space Age! Die 70er Jahre. Alles Plastik, alles digital. Alles? Weit gefehlt! Unmittelbar bevor die beleuchteten, digitalen Zahlendisplays und Quarzuhren endgültig den Markt aufrollten, gab es noch eine letzte analoge "Revolution" (das Wort kann übrigens auch "Rotation, Umwälzung" bedeuten) - Klappziffern (Englisch "flip clock").
Es gab sie in Uhren, es gab sie in Weckern... und Radioweckern. Es gibt sie heute noch. (Wenn auch nur noch selten und mit einigen wesentlichen Unterschieden.)
(Klick auf die Bilder für eine grössere Version.)
Vom billigen Plastebomber der Firma Garant...
... bis hin zum noblen Radiowecker (gebürstetes Aluminium!) von "National Panasonic" (heute ohne "National" bekannt) gab es scheinbar unendlich viele Varianten.
Exposé - Klappziffernuhren.
Die Technik darunter ist komplett analog-mechanisch. Da ist kein Chip oder Quarz am Werkeln.
Das Uhrwerk einer Klappziffernuhr (aus einem Sanwa-Radiowecker). Sehr häufig anzutreffen und in dieser Konfiguration typisch für die absolute Mehrheit der Geräte, die mit so einem Zeitmesser daherkamen. Diese Uhrwerke stammen fast allesamt aus Japan und wurden von Copal hergestellt. Einzig teure Markenware von Bosch oder Junghans hat damals auf eigene Entwicklungen gesetzt (z.B. mit Drehwalzensystem statt Klappziffern usw.). Tja, so waren die 70er Jahre.
Das Design dieser Uhrwerke ist modular (Baukastenprinzip) und lässt sich auf vielfältige Weise modifizieren. So lassen sich an derselben Chassis die Positionen der Weckuhr und Stellräder vertauschen und der Antriebsmotor kann sowohl auf der Seite als auch hinten montiert werden.
Der Antrieb der Zeit. Ein Elektromotor der Firma Copal (Typ II). Dieser wird direkt vom Netz mit 230V/50Hz angetrieben und übersetzt die Kraft dann mechanisch mit Zahnrädern auf das Uhrwerk um. Dieser Typ, sowie der des nachfolgenden Telefunken-Radios, ist mit der gängigste. Der "Rotationsbereich" (unter der halbmondförmigen Aussparung) wird bei gern zum Anbringen einer Skala (z.B. Sekunden) verwendet. Dieser Motor läuft ständig solange das Gerät am Netz ist! (Eine moderne Variante schaltet chip- bzw. quarzgesteuert um.)
Das Uhrwerk selber ist bei diesem Typ nicht etwa auf 24 -> 60 (24 Stunden zu 60 Minuten) sondern 40 -> 60 synchronisiert. D.h. jede Stunde (bis auf die letzten vier - 20-24 Uhr) ist zweimal vertreten und wird nach 20 Minuten entsprechend noch einmal umgestellt. Dies vereinfacht die Abstimmung der Walzen aufeinander (2:3).
Die Gegenwart.
Frisch erholt vom Urlaub (4 Grad auf dem Brocken) bin ich gestern mal wieder auf einen Flohmarkt. Aber nur, weil er gleich neben dem Supermarkt stattfand...
Dort wurde mir ein altes Radio geschenkt. Witzigerweise auch noch eines, das ich schon zweimal habe.
Das Telefunken digitale 101, Baujahr 1975. Inkl. Patina und Schmutz. Erfreulicherweise kam es in voller Funktion - inkl. der Beleuchtung! (Der Grund dafür wurde später schnell offensichtlich.)
Autsch! Da ist wohl was schief gegangen!
Schmutzige Schalter und Staubmäuse inkl.
Holzoptik mit Schmelzpunkt? Vom verbogenen Schalter einmal abgesehen, war das der Hauptgrund, warum es dieses Radio für "lau" gab. "Da hat die Grossmutter wohl eine Kerze draufgestellt!" Hm.
An den Seiten hingegen alles paletti. Der 3,5mm-Klinkenanschluss (mono) für einen Kopf- bzw. Ohrhörer ist bei den meisten Radioweckern übrigens durchaus der Standard gewesen.
Auch ein schöner Rücken kann entzücken. Der Anschluss links ist für eine externe Wurfantenne. Das Gerät hat aber auch eine interne - mit gutem Empfang.
Dem geschenkten Gaul ins Maul geschaut. Gut erkennbar auf den ersten Blick ist der modulare Aufbau - links vorn das Uhrwerk, links hinten der Trafo, rechts das Radio. Die meisten Radiowecker dieser Ära sind so aufgebaut.
Neben Staub und Patina ist die interne Wurfantenne erkennbar.
Freundlicher Hinweis des Herstellers. Eine Umbauanleitung für 110 Volt. Vermutlich hätte dafür auch der Motor des Uhrwerks gewechselt werden müssen.
Staubfänger. Unter dem Lautsprecher warten schon 40 Jahre Dreck. (Übrigens auch bei modernen Notebooks ein Hauptproblem.)
Robust und bewährt. Die Technik des Radios im Blick. Die kleinen roten Kabel führen zu zwei Lämpchen an der Front. Diese werden mit 12 Volt versorgt und sind anscheinend nirgends mehr zu bekommen. Schade.
Blick von hinten. Jede Menge Staub und Dreck. Beim Öffnen kam noch ein Q-Tip (wtf?) zum Vorschein, das wohl jemand beim letzten Saubermachen vergessen hatte. Nicht gerade ein Qualitätsmerkmal des "Wartungspersonals".
Das Uhrwerk von oben. Auch hier einiges an Dreck. Erfreulicherweise funktioniert es noch zuverlässig.
Das Uhrwerk von der Seite. Auch dieser Motor stammt von Copal und ist wohl der zweithäufigste. Auffällig daran, dass die Halteschrauben mit weissem Klarlack "grosszügig" fixiert wurden. Das spricht für eine nachträgliche Reparatur oder Umrüstung, da der Hersteller i.A. grünen Klarlack verwendete.
Oha! Ein abgebrochenes Plastikteil fiel beim Aufmachen aus dem Gehäuse! Wo es wohl hingehört?
Aha. Von einem der drei Schaltrelais (2x Weckuhr, 1x Zeitschalter) abgebrochen. Hier sind auch ziemlich dilletantisch die Kabel wieder angelötet worden. War das auch die Grossmutter?
Es werde Licht! Die Glimmlampe des Uhrwerks funktionierte noch, was nicht etwa der Qualität an sich (nach 40+ Jahren sind die meistens hinüber), sondern vielmehr einer später erfolgten Reparatur/Austausch zuzuschreiben ist. Natürlich habe ich sie durch eine neue ersetzt.
Das Uhrwerk in seiner ganzen Pracht. Entstauben, säubern, ölen, biegen, testen. Läuft immer noch sekundengenau! Unten sieht man die Halterung für die Glimmlampe. Bei dieser Chassis kann man sie auch oben (mit zwei Schrauben) anbringen, was die beiden Gewindebohrungen dort erklärt.
Der Mechanismus für die Zeituhr im Blick. So einfach wie effektiv. Der (einstmals verbogene) Drehschalter vorn betätigt über eine Gewindestange ein Relais, die Gewindestange wird selber vom Uhrwerk zurückgedreht und rastet schliesslich wieder in der Ursprungsposition ein, was das Relais (bzw. Radio) ausschaltet.
Prolog. Die Vergangenheit der Zukunft.
Space Age! Die 70er Jahre. Alles Plastik, alles digital. Alles? Weit gefehlt! Unmittelbar bevor die beleuchteten, digitalen Zahlendisplays und Quarzuhren endgültig den Markt aufrollten, gab es noch eine letzte analoge "Revolution" (das Wort kann übrigens auch "Rotation, Umwälzung" bedeuten) - Klappziffern (Englisch "flip clock").
Es gab sie in Uhren, es gab sie in Weckern... und Radioweckern. Es gibt sie heute noch. (Wenn auch nur noch selten und mit einigen wesentlichen Unterschieden.)
(Klick auf die Bilder für eine grössere Version.)
Vom billigen Plastebomber der Firma Garant...
... bis hin zum noblen Radiowecker (gebürstetes Aluminium!) von "National Panasonic" (heute ohne "National" bekannt) gab es scheinbar unendlich viele Varianten.
Exposé - Klappziffernuhren.
Die Technik darunter ist komplett analog-mechanisch. Da ist kein Chip oder Quarz am Werkeln.
Das Uhrwerk einer Klappziffernuhr (aus einem Sanwa-Radiowecker). Sehr häufig anzutreffen und in dieser Konfiguration typisch für die absolute Mehrheit der Geräte, die mit so einem Zeitmesser daherkamen. Diese Uhrwerke stammen fast allesamt aus Japan und wurden von Copal hergestellt. Einzig teure Markenware von Bosch oder Junghans hat damals auf eigene Entwicklungen gesetzt (z.B. mit Drehwalzensystem statt Klappziffern usw.). Tja, so waren die 70er Jahre.
Das Design dieser Uhrwerke ist modular (Baukastenprinzip) und lässt sich auf vielfältige Weise modifizieren. So lassen sich an derselben Chassis die Positionen der Weckuhr und Stellräder vertauschen und der Antriebsmotor kann sowohl auf der Seite als auch hinten montiert werden.
Der Antrieb der Zeit. Ein Elektromotor der Firma Copal (Typ II). Dieser wird direkt vom Netz mit 230V/50Hz angetrieben und übersetzt die Kraft dann mechanisch mit Zahnrädern auf das Uhrwerk um. Dieser Typ, sowie der des nachfolgenden Telefunken-Radios, ist mit der gängigste. Der "Rotationsbereich" (unter der halbmondförmigen Aussparung) wird bei gern zum Anbringen einer Skala (z.B. Sekunden) verwendet. Dieser Motor läuft ständig solange das Gerät am Netz ist! (Eine moderne Variante schaltet chip- bzw. quarzgesteuert um.)
Das Uhrwerk selber ist bei diesem Typ nicht etwa auf 24 -> 60 (24 Stunden zu 60 Minuten) sondern 40 -> 60 synchronisiert. D.h. jede Stunde (bis auf die letzten vier - 20-24 Uhr) ist zweimal vertreten und wird nach 20 Minuten entsprechend noch einmal umgestellt. Dies vereinfacht die Abstimmung der Walzen aufeinander (2:3).
Die Gegenwart.
Frisch erholt vom Urlaub (4 Grad auf dem Brocken) bin ich gestern mal wieder auf einen Flohmarkt. Aber nur, weil er gleich neben dem Supermarkt stattfand...
Dort wurde mir ein altes Radio geschenkt. Witzigerweise auch noch eines, das ich schon zweimal habe.
Das Telefunken digitale 101, Baujahr 1975. Inkl. Patina und Schmutz. Erfreulicherweise kam es in voller Funktion - inkl. der Beleuchtung! (Der Grund dafür wurde später schnell offensichtlich.)
Autsch! Da ist wohl was schief gegangen!
Schmutzige Schalter und Staubmäuse inkl.
Holzoptik mit Schmelzpunkt? Vom verbogenen Schalter einmal abgesehen, war das der Hauptgrund, warum es dieses Radio für "lau" gab. "Da hat die Grossmutter wohl eine Kerze draufgestellt!" Hm.
An den Seiten hingegen alles paletti. Der 3,5mm-Klinkenanschluss (mono) für einen Kopf- bzw. Ohrhörer ist bei den meisten Radioweckern übrigens durchaus der Standard gewesen.
Auch ein schöner Rücken kann entzücken. Der Anschluss links ist für eine externe Wurfantenne. Das Gerät hat aber auch eine interne - mit gutem Empfang.
Dem geschenkten Gaul ins Maul geschaut. Gut erkennbar auf den ersten Blick ist der modulare Aufbau - links vorn das Uhrwerk, links hinten der Trafo, rechts das Radio. Die meisten Radiowecker dieser Ära sind so aufgebaut.
Neben Staub und Patina ist die interne Wurfantenne erkennbar.
Freundlicher Hinweis des Herstellers. Eine Umbauanleitung für 110 Volt. Vermutlich hätte dafür auch der Motor des Uhrwerks gewechselt werden müssen.
Staubfänger. Unter dem Lautsprecher warten schon 40 Jahre Dreck. (Übrigens auch bei modernen Notebooks ein Hauptproblem.)
Robust und bewährt. Die Technik des Radios im Blick. Die kleinen roten Kabel führen zu zwei Lämpchen an der Front. Diese werden mit 12 Volt versorgt und sind anscheinend nirgends mehr zu bekommen. Schade.
Blick von hinten. Jede Menge Staub und Dreck. Beim Öffnen kam noch ein Q-Tip (wtf?) zum Vorschein, das wohl jemand beim letzten Saubermachen vergessen hatte. Nicht gerade ein Qualitätsmerkmal des "Wartungspersonals".
Das Uhrwerk von oben. Auch hier einiges an Dreck. Erfreulicherweise funktioniert es noch zuverlässig.
Das Uhrwerk von der Seite. Auch dieser Motor stammt von Copal und ist wohl der zweithäufigste. Auffällig daran, dass die Halteschrauben mit weissem Klarlack "grosszügig" fixiert wurden. Das spricht für eine nachträgliche Reparatur oder Umrüstung, da der Hersteller i.A. grünen Klarlack verwendete.
Oha! Ein abgebrochenes Plastikteil fiel beim Aufmachen aus dem Gehäuse! Wo es wohl hingehört?
Aha. Von einem der drei Schaltrelais (2x Weckuhr, 1x Zeitschalter) abgebrochen. Hier sind auch ziemlich dilletantisch die Kabel wieder angelötet worden. War das auch die Grossmutter?
Es werde Licht! Die Glimmlampe des Uhrwerks funktionierte noch, was nicht etwa der Qualität an sich (nach 40+ Jahren sind die meistens hinüber), sondern vielmehr einer später erfolgten Reparatur/Austausch zuzuschreiben ist. Natürlich habe ich sie durch eine neue ersetzt.
Das Uhrwerk in seiner ganzen Pracht. Entstauben, säubern, ölen, biegen, testen. Läuft immer noch sekundengenau! Unten sieht man die Halterung für die Glimmlampe. Bei dieser Chassis kann man sie auch oben (mit zwei Schrauben) anbringen, was die beiden Gewindebohrungen dort erklärt.
Der Mechanismus für die Zeituhr im Blick. So einfach wie effektiv. Der (einstmals verbogene) Drehschalter vorn betätigt über eine Gewindestange ein Relais, die Gewindestange wird selber vom Uhrwerk zurückgedreht und rastet schliesslich wieder in der Ursprungsposition ein, was das Relais (bzw. Radio) ausschaltet.